Operationen bei Stuhlinkontinenz

Operationen kommen bei der Stuhlinkontinenz an zwei Stellen zu Einsatz:

  1. Bei schwerwiegendem Mastdarmvorfall der
    a) bereits eine Inkontinenz verursacht hat oder
    b) droht den geschwächten Schließmuskel weiter zu schädigen

  2. Wenn konservative Maßnahmen versagt haben

 

Reparatur des Schließmuskels bei Einrissen

Der sog. sphincter repair ist eine aufwändige Operation. Es werden Schließmuskelschäden, die durch Geburtsverletzungen (Dammrisse). Gelegentlich werden solche Risse als oberflächlich verkannt und nur oberflächlich genäht. Der beste Zeitpunkt der Reparatur ist direkt nach der Entbindung oder es muss min. 6Monate nach der Entbindung gewartet werden. Hier ist ein erfahrener Geburtshelfer (Gynäkologe / Gynäkologin) gefragt oder die Patientinnen sollten in eine proktologisch Spezialabteilung verlegt werden.

Nicht jede Patientin, die nach einer Entbindung mit Dammriss Probleme hat den Stuhl zu kontrollieren, hat einen schweren Schließmuskelschaden. Oft verschwindet da Problem nach wenigen Tagen oder Wochen.

Im Gegenzug können aber Frauen, die anfangs nach der Entbindung kein Problem mit Stuhlinkontinenz haben auch noch nach 30-40 Jahren (wenn natürliche Alterungsprozesse hinzukommen) aufgrund von Geburtsverletzungen stuhlinkontinent werden. Diesen Patientinnen ist durch eine Schließmuskelreparatur nicht mehr zu helfen und andere Verfahren kommen zum Einsatz.

Bei Patientinnen mit Schließmuskelschaden nach Entbindung sollte eine Reparatur innerhalb des ersten Jahres erfolgen.

Sakrale NervenModulation – SNM

Bei diesem Verfahren wird im OP eine Elektrodn im Bereich der des Nervenwurzel des Sakralmarkes (typischerweise Nervenwurzeln S3) eingebracht. Durch die Elektrode wird die Nervenwurzel elektrisch stimuliert. Ein direkter Effekt hiervon ist das Zusammenziehen des Schließmuskels und des Beckenbodens, da die Nerven, die dies vermitteln unmittelbar stimuliert werden. Der Schließmuskel hält also dicht.

Weiterhin treten aber auch Effekte im sakralen Nervengeflecht (Plexus sacralis) auf, die noch nicht vollständig verstanden sind.

Wir nutzen ein System der Firma Medtronic, die das Verfahren zusammen mit dem "Erfinder" Prof. Matzel aus Erlangen entwickelt hat. Inzwischen gibt es weitere Anbieter auf dem Markt.


Der Ablauf

Es wird über zwei Wochen ein Stuhltagebuch geführt, in dem die Häufigkeit der Toilettengänge und Inkontinenzereignisse festgehalten werden.

1. OPERATION

Zunächst wird im Rahmen eines stationären Aufenthaltes die Elektrode eingepflanzt und über ein aus der Haut ausgeleitetes Kabel an einen programmierbaren äußeren Stimulator angeschlossen, den Sie an einen Gürtel befestigt mit sich tragen. Die Stärke der Stimulation kann mit einer App selbst eingestellt werden.

In einer zwei wöchigen Testphase (wieder mit Stuhltagebuch) sollen Sie dann für sich selber prüfen, ob Sie von dieser Maßnahme profitieren d.h. tatsächlich weniger Inkontinenzereignisse auftreten. Weiterhin sollen Sie sich fragen, ob Sie mit einem solchen System zurechtkommen würden.

Nach Ablauf der Testphase wir zunächst der ausgeleitete Draht gekappt und erneut (ohne Stimulation) für 2 Wochen eine Stuhltagebuch geführt.

Dann ist es Zeit für ein Gespräch mit Ihrem Chirurgen, ob ein SNM System definitiv eingebaut werden soll.

2. OPERATION

In einer weiteren stationären Operation wird rechts oder links hinter dem Beckenkamm der definitive Schrittmachte eingepflanzt. Alle Elektroden, Kabel und der Stimulator befinden sich dann also unter der Haut. Mit einem Programmiersystem wird Ihr Arzt das System aktiveren und ein geeignetes Stimulationisprogramm auswählen. Sie können Sie dann das System mit einer App selber in gewissem Umfang steuern. Natürlich werden wir Sie in der Handhabung der "Fernbedienung" schulen.

Wir haben mit dem Verfahren sehr gute Erfahrungen. Die Testung ist für Sie wenig belasten, d.h. ohne schmerzhafte Operation (nur „Pieks“ in Narkose um die Elektrode zu platzieren) und große Risiken (sehr selten Infektion, Blutergruß). Erst wenn das gut funktioniert wird das definitive System eingebaut.

Sie müssen sich mit der Technik anfreunden können und in der Lage sein das Gerät zu bedienen.

Die inzwischen eingebauten Systeme sind MR tauglich, d.h. MRT Untersuchungen z.B. bei Bandscheibenproblemen o.ä. können problemlos durchgeführt werden. Der Radiologe muss aber trotzdem über das Vorhandensein des Implantats infomiert werden. In der Regel wir die Stimulation für die Dauer der Untersuchung ausgeschaltet (... können Sie selber).

Dynamische Gracilisplastik

Ein komplexer Eingriff, den wir selbst nicht anbieten.

Hierbei wird ein Muskel (Musculus gracilis) von der Innenseite des Oberschenkels ausgelöst und nach oben unter der Haut um den After geschlungen. Diese Methode des Schließmuskelersatzes hatte in den Anfangsjahren schlechte Ergebnisse. Ein Muskel aus dem Bein ist nur auf kurze Kontraktionen ausgelegt und schafft es nicht, den After dauerhaft dicht zu halten. Deshalb wurde das Verfahren abgewandelt und ähnlich der sakralen Nervenstimulation in den Muskel eine Elektrode eingebracht. Über einen unter der Haut liegenden Stimulator wird der Muskel dauerstimuliert. Im Laufe von Monaten kommt es zur Umwandlung der Muskelfasern, sodaß diese dauerhaft den Anus dicht halten können.

Das Verfahren ist sehr aufwändig und sollte nur in einen spezialisierten Zentrum durchgeführt werden. Falls ein solcher Eingriff für Sie in Frage kommt werden wir Sie ggf. dorthin überweisen.

Komplikationen sind leider nicht selten und oft sich erneute Eingriffe z.B. bei Blutergüssen erforderlich. Bei Durchblutungsproblemen im transportieren Muskel oder schweren Wundinfektionen kann es leider auch zum völligen Versagen des Verfahrens kommen.

Künstlicher Darmausgang (endständiges Kolostoma)

Als letzte Maßnahme bei Versagen konservativer oder operativer Therapie kommt ein künstlicher Darmausgang in Frage. Hierbei wird (wenn möglich minimal invasiv) der absteigende Teil des Dickdarmes im linken Unterbauch durch die Bauchdecke ausgeleitet (endständiges Kolostoma). Durch ein Beutelsystem, das auf die Haut geklebt wird der Stuhl aufgefangen.

Die Konsistenz des Stuhles unterscheidet sich kaum von normalem Stuhlgang. Auch kommt es in der Regel wie beim normalen Stuhlgang nur 1-2x täglich zu signifikantem Stuhlaustritt in den Beutel. Der Beutel muss also nicht sehr häufig geleert werden und ggf. kann der Ausgang zum Schwimmbadbesuch mit einem Deckel verschlossen werden.

Auch wenn die Aussicht auf einen künstlichen Darmausgang für Sie erschreckend ist, können Sie hiermit ein nahezu vollständig normales Leben führen.

Sie haben die absolute Kontrolle über die Stuhlausscheidung und keine Inkontinenz mehr.

Falls Sie z.B. aus psychischen Gründen nicht mit dem Kolostoma zurechtkommen, kann die Verbindung des Darmes und damit die normale Darmpassage jederzeit wiederhergestellt werden.

Vorab können Sie sich falls gewünscht von einem Stomaträger über das Leben mit einem Kolostoma unterhalten (www.ilco.de). Gerne stellen wir für Sie den Kontakt her.

Künstlicher Schließmuskel

Ein komplexer Eingriff, den wir selbst nicht anbieten.

Ein künstlicher Schließmuskel besteht aus einem wassergefüllten System mit einer ringförmigem Manschette, die unter der Haut um den After implantiert wird und durch Füllen und Ablassen des Wassers die Stuhlkontinenz ermöglicht. Alle weiteren Teile wie Schläuche und Ventile zur Bedienung werden ebenfalls unter die Haut verlegt.

Durch Druck auf ein Ventil (z.B. am Beckenkamm, im Hodensack oder der großen Schamlippe) entleert sich die Manschette und die Stuhlentleerung ist möglich. Nach einigen Minuten schließt das System sich automatisch und dichtet den After ab.

Auch hier gilt: Das OP Verfahren ist sehr aufwändig und sollte nur in einem spezialisierten Zentrum durchgeführt werden. Falls ein solcher eingriff für Sie in Frage kommt werden wir Sie ggf. dorthin überweisen.

Komplikationen sind nicht selten. Insbesondere bei schweren Infektionen kann es erforderlich sein, alles wieder auszubauen. Auch Probleme mit den mechanischen bzw. hydropneumatischen Bestandteilen des Systems können Folgeeingriffe erforderlich machen.

Die Handhabung des Systems erfordert manuelles Geschick und ist hierdurch nicht für jeden geeignet.

Regional ist das Kreiskrankenhaus Emmendingen (Chrefarzt Prof. Baumgartner) das einzige Zentrum, das diesen Eingriff anbietet.