Allgemeines:
Die Fähigkeit den Stuhl einzuhalten und auf Wunsch gezielt abzusetzen wird als Stuhlkontinenz bezeichnet.
Probleme den Urin zu kontrollieren sind seit längerem gesellschaftsfähig (Fernsehwerbung für Tena Lady®, … inzwischen sogar Tena Men®.)
Patienten mit unkontrolliertem Stuhlabgang (Stuhlinkontionenz) reden oftmals selbst mit ihren Lebenspartner nicht über ihr Problem. Manche Patienten verlassen Wohnung und Haus nur selten, aus Angst vor einem “Unfall“. Es droht die soziale Isolation.
Die Probleme können sehr vielfältig sein:
– Stuhlverschmieren der Unterwäsche oder Einlagen
– Unfähigkeit des Stuhl bei Stuhldrang zurückzuhalten
– Gänzlich unbemerkter Stuhlverlust
Die Stuhlinkontinenz wird in 3 Stadien eingeteilt:
STADIUM I (oder 1° grades): Unfähigkeit Winde zu kontrollieren
STADIUM II (oder 2° grades): Unfähigkeit flüssigen Stuhl einzuhalten
STADIUM III (oder 3° grades): Unfähigkeit festen Stuhl zu kontrollieren
Wie entsteht eine Stuhlinkontinenz ?
Was uns ermöglicht den Stuhl einzuhalten wird gewöhnlich als Kontinenzorgan bezeichnet, auch wenn mehrere Körperteile dazu beitragen den Stuhl zu kontrollieren:
1) der Beckenboden:
Der Anschluss des knöchernen Beckens nach unten wird Beckenboden genannt. Er besteht aus einer Muskelsehnenplatte. Wichtig ist v.a. eine Muskelschlinge, die von vorne kommend des Anus umfährt und beim bewusstem Kneifen den After nach vorne zieht. Hierdurch entsteht ein Knick zwischen Anus und Mastdarm, der zur Abdichtung des Afterkanales und damit zur Stuhlkontinenz beiträgt. Ein Absinken des Beckenbodens (Beckenbodeninsuffizienz) z.B. nach Schwangerschaften oder schwierigen Geburten stört diesen Mechanismus. Beckenbodengymnastik kann hier Abhilfe bringen.
2) der Schließmuskel
besteht aus zwei Teilen: Der inneren Schließmuskel wird vom Körper unbewusst und durch Reflexe kontrolliert d.h. wir haben keinen Einfluss auf dessen Funktion. Trotzdem wird ihm ein Anteil von 80% an der Stuhlkontinenz zugeschrieben. Kommt Stuhl in den unteren Mastdarm wird reflexartig der innere Schließmuskel entspannt. Dann kommt der äußere Schließmuskel ins Spiel. Mit diesem müssen wir durch bewusstes Kneifen den Stuhl einhalten, denn dieser Muskel ist unserer Willkür unterworfen. Beim Kneifen tritt auch der Beckenboden in Aktion (s.o.). Der Stuhl wird nach oben geschoben und normalerweise haben wir dann 5-15min Zeit eine Toilette aufzusuchen, bevor der Stuhl wieder unten ankommend den inneren Muskel erneut reflexartig entspannen lässt. Verletzungen des Schließmuskels sind oft Folge von Afterabszessen und Fisteln, Operationen am After oder Geburtsverletzungen (größere Dammrisse). Durch eine Endosonographie können solche Risse identifiziert werden. Ggf. kann eine Schließmuskelnaht Abhilfe schaffen (Sphinkterrepair). Diese Operation wird heute aber nur noch bei frischen Verletzungen z.B. nach Geburten durchgeführt.
Durch einen fortgeschrittenen Mastdarmvorfall wird der innere Schließmuskel permanent gedehnt und kann hierdurch geschwächt werden. Es muss abgewogen werden, ob die Entfernung des vorfallenden Gewebes sinnvoll ist.
Als effiziente Therapie der Schließmuskeln hat sich das Biofeedbacktraining erwiesen. Hierbei wird über eine in den After eingeführte Sonde mithilfe eines Trainingsgerätes der Schließmuskel aktiv beübt. Wir verwenden hierfür ein Gerät der Fa. Procon aus Hamburg (Contrain®), das zusätzlich zum Biofeedback zwei Elektrostimulationsverfahren einsetzt (Tripple Target oder 3T Therapie). Die 3T Therapie hat in Studien (zuletzt Deutsches Ärzteblatt 2011) eine sehr gute Wirksamkeit gezeigt.
3) die Hämorrhoiden
befinden sich als natürlicher Teil des Schließapparates am oberen Rand des Afterkanales. Als Gefäßpolster oder auch Schwellkörper helfen sie, den Afterkanal abzudichten. Blut fließt mit hohem Druck über Schlagadern (Arterien) in die Hämorrhoiden hinein. Der Abfluss des Blutes über Venen erfolgt durch den inneren Schließmuskel. Entspannt sich dieser reflexartig (s.o.), fließt auch vermehrt Blut aus den Hämorrhoiden ab, die abschwellen und in ihrer Abdichtungswirkung nachlassen. Krankhaft vergrößerte Hämorrhoiden hingegen sinken oft in den Afterkanal hinein und stören hierdurch das Kontinenzorgan mehr als sie zur Kontinenz beitragen.
4) die Nerven und Nervengeflechte des Beckens und Beckenbodens
Sie haben schon gemerkt: Das Kontinenzorgan ist eine ganz schön komplizierte Konstruktion. Der Steuerung des ganzen durch Reflex oder Willkür kommt eine wichtige Funktion zu.
Querschnittsgelähmte z.B. verlieren oft vollständige die Kontrolle über den Stuhlgang. Auch subtilere Störungen sorgen für Probleme. Durch das Absinken den Beckenbodens kann es zu Zugschäden an dem Nerv kommen, der den äußeren Schließmuskel aber auch den Beckenboden ansteuert (Nervus pudendus).
Hier kommen zwei Therapieverfahren ins Spiel: Die Sakrale Nervenstimulation (SNS) bei der über Elektroden am Kreuzbein dauerhaft die (eine von 3) Nervenwurzel des Pudendusnervs stimuliert wird und die PTNS (Periphere Tibialisnervenstimulation), bei der in 12 Einzelsitzungen indirekt über eine Nadelelektrode am Knöchel das Nervengeflecht im Becken stimuliert wird.
5) der Stuhlgang bzw. der Kot selbst:
Wie oft ? – Wie fest?
Hier liegt ein weiterer Knackpunkt in Sachen Stuhlkontinenz: Es scheint logisch dass harter Stuhl besser zu kontrollieren ist als Durchfall. Jeder hat glaube ich schon erfahren, dass man bei Durchfall doch etwas eiliger auf die Toilette geht. Auch die Häufigkeit des Stuhlganges spielt eine Rolle. Jemand der10x täglich die Unterwäsche oder eine Windel wechseln muss, kann kaum das Haus verlassen. Eine verstopfte Person mit Stuhlhalteschwäche, die sowieso nur einmal pro Woche Stuhlgang hat wird hingegen seltener Probleme haben. Chronische Durchfälle müssen durch eine Darmspiegelung und diverse andere Tests (Nahrungsmittelunverträglichkeiten u.a.) abgeklärt werden. Mit Medikamenten (Loperamid, Immodium®, Tinktura opii) und Stuhlregulierenden Substanzen (v.a. Präparate des Indischen Flosamens; Mukofalk® Flosa®) kann hier helfend eingegriffen werden.
Diagnostik
Folgende Untersuchungen werden i.R. der Inkontinenzdiagnostik durchgeführt:
– Körperliche Untersuchung mit End- und Mast- bzw. Dickdarmspiegelung
– Defäkographie (Röntgenkontrastuntersuchung bei Mastdarmvorfall)
– Afterdruckmessung mit funktioneller Testung des Kontinenzorgans (Analmanometrie)
– Endosonographie (Ultraschalluntersuchung des Schließmuskels über den After)
Therapie:
siehe Seite im Kapitel Therapie:
1) konservativ d.h. ohne Operation
2) Operationen bei Stuhlinkontinenz